Die Erde der große Felsen, woran die Menschheit, der eigentliche Prometheus, gefesselt ist und vom Geier ›des Zweifels‹ zerfleischt wird – Sie hat das Licht gestohlen und leidet Marter –
Heinrich Heine
Wenn einer feinsten Marmor nähm
Und wüßt ihn kunstreich zu behandeln:
Prometheus Stoff war niedrer Lehm;
Doch seine Bilder wandeln.Franz Grillparzer
Jakob und ich kauften nun einen Kranz aus wirklichem Lorbeer und ließen ihn mit Andreas’ Lieblingsblumen durchsetzen, weißen und blaßroten Geranien. Jakob, – denn er war viel besser als er schien! – holte dazu aus dem ersten Seidengeschäft der Stadt eine breite Schleife aus grünem Damast mit echten Goldfransen. Nach langem Überlegen ließen wir noch spät am Abend den gestickten Spruch: »Aus Freundschaft« als ungenügend und gemein, wegtrennen und dafür in goldener Schrift hinsetzen:
»Dem treuen Wächter des Volkes!
Dem Prometheus der bäuerlichen Freiheit!Eine dankbare Jugend.«
Am Freitag stellte Dr. Müller wirklich den Wasserstoff dar. Als die trübe Mischung sich endlich löste, das Phlegma niedersank und das reine Element in der Retorte emporstieg und sich an der Öffnung entzündete: da sah ich keine chemischen Substanzen mehr, sondern da war es die Seele des Nachtwächters, die sich aus dem schmalen Schultertuch und den engen Ärmeln endgültig befreit hatte. Erlöst von diesem schmutzigen und winkligen Leben, sah ich sie gleichsam verklärten Scheines wie diese Gasflamme emporschweben ins Reich der freien Himmelsgeister.
Zwei Tage später vernahmen wir, daß unser Kranz der schönste auf dem Grabe gewesen sei. Doch habe die Inschrift im Gemeinderat Unruhe erweckt, und man sei zum Gemeindeschreiber, der eine Bibliothek besitzt, und als dieser das Rätsel nicht lösen konnte, zum Pfarrer gegangen, um zu erfahren, ob in dem Ausdruck »Prometheus der bäuerlichen Freiheit« nicht eine geheime Aufreizung oder eine verkappte Verletzung der Dorfmajestät liege? Was eigentlich Prometheus heiße – ob das ein Tier oder ein Mensch gewesen sei? – Und wenn ein Mensch, – wie er gelebt und vor allem, ob er konservativ, altväterisch politisiert oder etwa auch in das freche Horn der Jungen gestoßen habe? – Darauf habe der Pfarrer leicht gelächelt und gesagt: »Herren Gemeinderäte! – Dieser Prometheus hat nie gelebt. Darum lasset den Spruch nur am Bande, ein Mensch, der nie existiert hat, wird Euch doch nicht Kopfweh machen!«
Darauf habe der Ammann den Lehrer Philippus zu sich rufen lassen und ihn um Aufschluß über den Prometheus gebeten. Denn der Rat des Geistlichen habe ihn nicht beruhigt. Und da sei denn die Wahrheit an den Tag gekommen, daß besagter Prometheus ein unbändiger heidnischer Wildling war, der dem Himmel trotzen und ein unerlaubtes Licht den Menschen bringen wollte, aber wie billig für solche Untat am Schwarzen Meer offiziell hingerichtet wurde. – Darauf beschloß der vollzählige Gemeinderat, mit Messer und Schere in die Krone zu gehen, wo der Kranz vorläufig noch hing, und die verbrecherische Hälfte der Widmung, verübt von zwei Grünschnäbeln, wegzukratzen oder wenn es gar nicht anders ginge, diesen Zipfel der Schleife wegzuschneiden.
Doch wie man sich an die Exekution machte, da kam noch rechtzeitig der alte Kronenwirt dazu. »Was geht das den ganzen löblichen Gemeinderat an, was mein Bub und der Walter dem Nachtwächter ins Grab schenken?« habe er gerufen. Keinen Buchstaben daran lasse er ändern und so wahr die Herren hinterrücks am Kranze das geringste flicken, werde er sorgen, daß solch häßliches und lächerliches Schildbürgerstücklein in allen drei Bezirkszeitungen gehörig geschildert und ihre Urheber mit Namen und Geschlecht dabei aufgeführt werden, wie die Spieler auf dem Theaterzettel.
Das habe gewirkt. Denn der Kronenwirt war ein unbescholtener, ganzer und höchst unabhängiger Mann. Man habe sich also damit begnügt, die Seidenschleife verkehrt auf das Grab zu legen, den tapferen Spruch zur Erde gewandt.
Heinrich Federer
Unser Nachtwächter Prometheus
»Unbekannter Freund,« fing er jetzt mit dumpfer feierlicher Stimme an, »unbekannter Freund, du frevelst, wenn du die verschiedenen Zweige der Kunst in Rangordnung stellen willst, wie die Vasallen eines stolzen Königs. Und noch größerer Frevel ist es, wenn du nur die Verwegenen achtest, welche taub für das Klirren der Sklavenkette, fühllos für den Druck des Irdischen, sich frei, ja selbst sich Gott wähnen und schaffen und herrschen wollen über Licht und Leben. – Kennst du die Fabel von dem Prometheus, der Schöpfer sein wollte und das Feuer vom Himmel stahl, um seine toten Figuren zu beleben? – Es gelang ihm, lebendig schritten die Gestalten daher, und aus ihren Augen strahlte jenes himmlische Feuer, das in ihrem Innern brannte; aber rettungslos wurde der Frevler, der sich angemaßt, Göttliches zu fahen, verdammt zu ewiger fürchterlicher Qual. Die Brust, die das Göttliche geahnt, in der die Sehnsucht nach dem Überirdischen aufgegangen, zerfleischte der Geier, den die Rache geboren und der sich nun nährte von dem eignen Innern des Vermessenen. Der das Himmlische gewollt, fühlte ewig den irdischen Schmerz.«
[…]
»Haha – Kinderspiel ist kein Frevel! – Kinderspiel ist’s, wie sie’s machen, die Leute, die getrost ihre Pinsel in die Farbentöpfe stecken und eine Leinwand beschmieren, mit der wahrhaftigen Begier, Menschen darzustellen; aber es kommt so heraus, als habe, wie es in jenem Trauerspiele steht, irgendein Handlanger der Natur versucht, Menschen zu bilden, und es sei ihm mißlungen. – Das sind keine frevelige Sünder, das sind nur arme unschuldige Narren! Aber, Herr! – wenn man nach dem Höchsten strebt – nicht Fleischeslust, wie Titian – nein das Höchste der göttlichen Natur, der Prometheusfunken im Menschen – Herr! – es ist eine Klippe – ein schmaler Strich, auf dem man steht – der Abgrund ist offen! – über ihm schwebt der kühne Segler, und ein teuflischer Trug läßt ihn unten – unten das erblicken, was er oben über den Sternen erschauen wollte!«E. T. A. Hoffmann
Die Jesuiterkirche in G.
Prometheus
Bedecke deinen Himmel Zeus
Mit Wolkendunst!
Und übe Knabengleich
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn.
Und meine Hütte
Die du nicht gebaut,
Und meinen Herd
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenn nichts ärmeres
Unter der Sonn als euch Götter.
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern und Gebetshauch
Eure Majestät und darbtet wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.
Als ich ein Kind war
Nicht wußte wo aus noch ein
Kehrt mein verirrtes Aug
Zur Sonne als wenn drüber wär
Ein Ohr zu hören meine Klage
Ein Herz wie meins
Sich des bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir wider
Der Titanen Übermut
Wer rettete vom Tode mich
Von Sklaverei?
Hast du’s nicht alles selbst vollendet
Heilig glühend Herz?
Und glühtest jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden dadroben.
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten.
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal
Meine Herrn und deine.
Wähntest du etwa
Ich sollte das Leben hassen
In Wüsten fliehen
Weil nicht alle Knabenmorgen
Blütenträume reiften.
Hier sitz ich forme Menschen
Nach meinem Bilde
Ein Geschlecht das mir gleich sei
Zu leiden weinen
Genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich.
Johann Wolfgang Goethe
Landratsamt (= der Prometheusfelsen). Kollegen: Peters; Schönert; (Runge war noch auf Parteiurlaub); Fräulein Krämer, Fräulein Knoop (Tipsen); Otte, männlicher Lehrling; Grimm, weiblicher Lehrling.
Arno Schmidt
Aus dem Leben eines Fauns
Metamorphoseon
Sanctius his animal mentisque capacius altae
deerat adhuc et quod dominari in cetera posset:
natus homo est, sive hunc divino semine fecit
ille opifex rerum, mundi melioris origo,
sive recens tellus seductaque nuper ab alto
aethere cognati retinebat semina caeli.
Quam satus Iapeto mixtam pluvialibus undis
finxit in effigiem moderantum cuncta deorum;
pronaque cum spectent animalia cetera terram,
os homini sublime dedit caelumque videre
iussit et erectos ad sidera tollere vultus.
Sic, modo quae fuerat rudis et sine imagine, tellus
induit ignotas hominum conversa figuras.
Publius Ovidius Naso
Der Fels des Prometheus
»Weh’, Wehe dem Geschlechte das regiert!
Das ist der Bonzen unheilvoll Geschlecht!
Der Eine schimpft den Andern Thor und Heuchler,
Und umgekehrt: und Alle haben Recht!
Fast däucht es mir, der große Zeus that wohl,
In diese Einsamkeit mich zu verbannen,
Weil ich den dummen Menschen Licht gebracht;
Sie haben es und können doch nicht sehn!
So viele Boten wurden ausgesandt,
Den Sterblichen die Wahrheit zu verkünden,
Doch kehrte Keiner unversehrt zurück;
Gesteinigt wurden sie, verhöhnt, gekreuzigt,
Und wenn ich selber unter Euch erschiene,
Es würde mir nichts Besseres geschehn!
Drum bleib’ ich, wo ich bin, denn besser ist’s,
Das Haupt vor eines Gottes Zorn zu beugen,
Als vor dem winzigen Geschlecht der Menschen.
Ein großes Unglück trägt der Mensch mit Stolz,
Doch unerträglich ist das kleine Elend!« –
Friedrich von Bodenstedt